«Das Haus der kleinen Forscher» ist nicht nur der Titel Ihres Buches. Es ist auch der Name einer breit angelegten Bildungsinitiative. Was ist deren Ziel und welche Rolle übernimmt Ihr Buch dabei?

Die Initiative «Haus der kleinen Forscher e. V.» (siehe auch www.haus-der-kleinen-forscher.de, die getragen wird von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, McKinsey & Company, Siemens AG sowie der Dietmar-Hopp-Stiftung) will die frühkindliche Bildung fördern und bereits Vorschulkinder für Natur und Technik interessieren. Dies natürlich auch mit der Absicht, dass demnächst mehr Menschen naturwissenschaftliche und technische Berufe ergreifen.
Das Buch bietet dabei die schönsten Experimente aus dem Internet-Angebot der Initiative in gebundener Form, erweitert um phantasievolle Geschichten als Einstieg in jedes Experiment und mit wunderschönen Zeichnungen illustriert.

Kinder zeichnet ja naturgemäß ein ausgeprägter Forschergeist aus. Muss dieser überhaupt noch geweckt werden oder eher wach gehalten?

Geweckt werden muss er vielleicht nicht, auf jeden Fall aber sollte er gefördert werden! Wenn Kinder schöne Erfahrungen mit Experimenten machen - und damit letztlich auch mit Wissenschaft und Forschung -, dann haben sie später in der Schule viel weniger Berührungsängste mit Chemie, Physik oder Bio. Auch dann, wenn es dabei etwas theoretischer und damit trockener zugeht.
Wenn Kinder experimentieren, setzen sie sich mit ihrer Umwelt auseinander und gehen Dingen auf den Grund. Wer etwas verstehen will, sollte es im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ können. Dafür sind Experimente wie Geheimschrift, Schlittenfahren ohne Schnee oder Frostsprengung wunderbar geeignet. Ist das Interesse erst geweckt, ist das Wichtigste schon da.

Die Experimente sind nicht einfach nur technisch dargestellt, sondern immer erzählerisch eingebunden in kleine Geschichten um die „kleinen Forscher“, um Drachen oder Walfische. Wie kam die Idee zu diesem von kleinen Forschern bevölkerten Haus?

Ganz ehrlich: Meine Lektorin bei Rowohlt Berlin hatte die tolle Idee, jedem Experiment eine Phantasiegeschichte voran zu stellen. Und als Sybille Hein dann mit der wundervollen Illustration für den Buchtitel kam, war klar: So muss es sein: Das Haus hat Füße, kann also laufen, und jede Nacht, wenn die Kinder in ihren Bettchen schlafen, wandert es an einen anderen Ort. Wenn die Kinder morgens aufwachen, werden sie immer mit neuen Situationen konfrontiert. Sie treffen das „Geheuer von Loch Nass“, stoßen auf einen tollkühnen Ritter, helfen einem hilflosen Drachen, retten ein verletztes Bärenkind oder einen Walfisch auf dem Trockenen. Sogar Außerirdische kommen zu Besuch. Was einem eben so passieren kann. Beim Erfinden der Geschichten habe ich mir die Kinder in der KiTa vorgestellt, die meine Tochter besucht. Und schwups waren die Geschichten da. Kinder haben nicht nur Fantasie, sie wecken sie in uns.
Geschichten und Experimente und damit Phantasie und Wissenschaft zu verbinden, das ist ein ganz neuer und spannender Ansatz. Dies ist eines der ersten Bücher, welches das bietet.

Ihr Band bietet eine Fülle an kleinen Experimenten, die Kinder zu Hause oder in Kindergarten und Schule nachmachen können. Für welche Altersgruppe sind sie geeignet und wie aufwändig ist die Beschaffung des Materials?

Ich sage immer: Das sind Experimente von 4 bis 99. Sowohl die Kinder haben Spaß daran als auch die Erwachsenen wie Eltern, Tanten, Onkels oder ältere Geschwister, welche ihnen die Geschichten vorlesen und danach gemeinsam mit ihnen experimentieren. Die Versuche sind auf jeden Fall schon für Vorschulkinder geeignet, aber auch Grundschulkinder werden mit diesem Buch jede Menge Freude haben. Sogar ich selbst mit über 40 habe meinen Spaß daran. Mein Favorit ist das Experiment mit dem Brei aus Maisstärke. Da bin ich immer wieder ganz perplex, wie toll das ist, und wie sich das anfühlt.
Was klasse ist: Das Material für die Experimente muss nicht erst beschafft werden, es ist da! Ein Griff in die Schublade und man hat zwei Löffel, die im Wasserstrahl klappern. Ein Griff nach der Blumenvase und der Lotuseffekt wird bei Tulpen sichtbar. Ein Gang zum Schrank, und schon werden aus Trinkhalmen meterlange Rohre gebastelt. Das ist sehr einfach, aber trickreich.

Was haben Sie sich ausgedacht, um verschiedenen Ansprüchen und abweichendem Vorwissen gerecht zu werden?

Die Erklärungen sind ganz einfach gehalten. Aber wer damit noch nicht genug hat, kann in der Rubrik «Für ganz Wissbegierige» mehr erfahren. Das ist sogar für Erwachsene interessant.

Haben die vorgestellten Experimente alle schon einen Praxistest bestanden - wurden von kritischen kleinen Probanden getestet?

Auf jeden Fall, jedes einzelne! Dabei habe ich die kritischste Testerin der Weltzur Hilfe geholt: meine Tochter Karla. Kein Wunder übrigens, dass sie auch im Buch vorkommt.

Sie selbst sind Ingenieur und Wissenschaftsredakteur beim WDR. Ist mit dem Buch und Ihrer Sendereihe «Heckers Hexenküche» (www.hexperimente.de) auch so etwas wie ein Traum in Erfüllung gegangen, „harte Wissenschaft“ spielerisch aufzubereiten?

Wissenschaft hat mich immer interessiert, mir Spaß gemacht, denn ich hatte klasse Lehrer. Aber oft kommt sie zu trocken rüber, vor allem in der Schule. Sie wird häufig unter Wert verkauft. Wissenschaft muss nicht „weh tun“, finde ich, denn sie ist etwas für alle Sinne - fürs Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken. Sie fordert den ganzen Menschen. Und ganz wichtig: Wissenschaftler brauchen Phantasie, deswegen die Phantasiegeschichte zu jedem Experiment. Wissenschaft und Fantasie ergänzen sich prima. Einstein hätte seine famose Relativitätstheorie nie gebacken bekommen, hätte er nicht jede Menge Fantasie gehabt, mit der er fleißig herumgesponnen hat.
Wenn ich mit meinen Büchern Kindern Angst vor Naturwissenschaft nehmen, sie sogar begeistern kann, bin ich schon sehr glücklich. Wenn die eine oder der andere später noch einen Beruf in dieser Richtung ergreift, ist das klasse.
Apropos: Wichtig ist dabei, dass nicht nur mehr junge Menschen im Allgemeinen sich für technische und naturwissenschaftliche Berufe interessieren, sondern dass auch mehr Frauen darunter sind.

Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.


Quelle: Weltbild.de